Mit der Eröffnung des Flughafens 2017 waren viele Hoffnungen aber auch Befürchtungen verbunden. Kommt jetzt der Massentourismus und zerstört diese einmalige Insel? Die Lokalzeitung St Helena Independent hat in ihrer letzten Ausgabe die Zahlen schön grafisch zusammengefasst (siehe unten). Ist St. Helena jetzt eine Massentourismus-Destination? Die Antwort darauf fällt mit Blick auf die Statistik leicht: Nein. Aufgrund der Pandemie sind nur die Zahlen 2018/2019 aussagekräftig: 1'200 bis 1'300 Touristen pro Jahr scheint aktuell eine realistische Flughöhe zu sein für das Marktpotential von St. Helena. Ein weiterer kleiner Schub dürften dann die Zusatzflüge ab Kapstadt bringen, da aus touristischer Sicht eine Kombination Kapstadt/St. Helena wesentlich attraktiver ist als der Hub Johannesburg. Auf der anderen Seite kann es natürlich auch sein, dass dadurch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer auf St. Helena, die aktuell mindestens eine Woche betragen muss aufgrund des Flugplans, kürzer wird und so die Anzahl Übernachtungen auf der Insel prozentual weniger stark steigen werden als die Anzahl ankommender Touristen. Aber eigentlich ist es egal, denn egal ob im Jahr 600 - 800 Touristen (vor der Flughafeneröffnung), 1'200 - 1'300 Touristen (nach der Flughafeneröffnung oder 1'400 - 1'500 Touristen nach St. Helena kommen pro Jahr, von Massentourismus kann keine Rede sein. Die Insel bleibt weiterhin ein kleiner touristischer Juwel in der Weite des Atlantiks.
0 Kommentare
Auf das Internet angewiesen zu sein auf St. Helena war bisher eine teurer und langsame Sache. Das maximal mögliche Paket war für 31'000 Megabyte im Monat bei einer Downloadgeschwindigkeit von 2 Megabyte in der Sekunde. Das ist in der heutigen Zeit so, als ob eine Schnecke zu einem Formel 1-Rennen antraben müsste. Günstig waren diese 31'000 Megabyte aber nicht. Rund CHF 180.-- musste man für dieses Privileg pro Monat hinlegen.
Ab dem 1. Oktober gibt es nun auch Pakete mit unbegrenzter Datenmenge. Das Paket "L+" bietet aber auch eine stark verbesserte Download-Geschwindigkeit. In der Ausschreibung heisst es vielsagend, die Download-Geschwindigkeit sei "bis zu 20 Megabyte". Und für diese deutliche Verbesserung bezahlt man auch weniger. Das beste Paket "L+" kostet nur rund CHF 135.-- im Monat. Seit März 2023 fliessen Daten durch das neue Glasfasernetz Equiano zwischen Europa - Westafrika und Südafrika. Mit einem Seitenast ist auch St. Helena ans ultraschnelle Internet angeschlossen. Da jedoch die Leistungsfähigkeit - ähnlich wie bei einer stark befahrenen Strasse - das schmalste Nadelöhr ist, kann man auf St. Helena noch nicht davon profitieren. Die Regierung hat Ende Juni bekannt gegeben, dass der Ausbau des lokalen Glasfasernetzes sich verspätet - ohne einen Zeitrahmen zu definieren. Das ist meistens ein schlechtes Zeichen auf St. Helena. Diese unsichere Hispeed-Internet-Zukunft wird wohl auch bis auf Weiteres keine Digitalen Nomaden nach St. Helena locken.
Auch die neue "Immigration Policy", die im Moment in der Vernehmlassung ist, dürfte keine Scharen auf die Insel locken auch wenn die Regierung betont, wie wichtig Einwanderung aufgrund der alternden und tendenziell sinkenden Bevölkerung die Zuwanderung wäre. Das würde mindestens den aktuellen Lebensstandard und die aktuellen Dienstleistungen gewährleisten können. Aber in der Bevölkerung scheint das nicht wirklich populär zu sein. Aber diese subtile Angst der Überfremdung kennen wir doch irgendwie aus der Schweiz, Deutschland und Österreich... Gute Neuigkeiten für St. Helena gibt es trotzdem: Nach zähen Verhandlungen scheint der Vertrag mit OneWeb, einer global tätigen Satelliten- und Kommunikationsfirma, unter Dach und Fach zu sein. OneWeb wird auf St. Helena eine Bodenstation einrichten und die aus dem All empfangenen Daten über das lokale Glasfasernext - wenn es dann einmal fertig ist - ins Equiano-Netz einspeisen. Für St. Helena ist wichtig, dass OneWeb einen bedeutenen Teil der Kosten als Nutzungsgebühren für das lokale wie auch für den St.-Helena-Ast vom Equiano-Glasfaserkabel abliefern wird. Das sollte es ermöglichen, für die normalen Internetnutzer auf der Insel schnelles Internet zu einem vernünftigen Preis anbieten zu können. Anfang Juni landete auf dem Flughafen von St. Helena eine C-17, eine Transportmaschine der Royal Air Force und anscheinend diejenige Maschine, welche auch den Leichnam von Queen Elizabeth II nach London flog. Es war das grösste Flugzeug, das je auf der für seine kurze Landepiste bekannten Flughafen von St. Helena landete.
Vor wenigen Tagen landete erstmals eine reine Frachtmaschine auf St. Helena. Die Boeing 737 brachte Ersatzteile für das mit einem Schaden vor Jamestown dümpelnde Frachtschiff BBC Emsland. Nach erfolgreicher Lieferung und Einbau, konnte das Schiff seine in Baltimore gestartete Reise nach Kapstadt fortsetzen und der Frachtflieger zu seinem nächsten Auftrag aufbrechen. Aber der vielleicht interessanteste Besucher war das Mehrzweckschiff BLUE MASTER II, welches am 10. Juni von Walvis Bay kam und in der James Bay ankerte bevor es seinen Weg nach Europa fortsetzte. Gem. einer Mitteilung der Regierung von St. Helena sei dies ein Probelauf, wie das Be- und Entladen mit den Bordkränen und den Tendern funktionieren würde, so wie es früher mit der RMS ST. HELENA der Fall war. Es wird gemunkelt, dass dieser Probelauf im Zusammenhang mit der Neuausschreibung der Versorgung der Insel ab 2024 im Zusammenhang steht. Die aktuelle Lösung mit einem Anlauf alle sechs Wochen von Walvis Bay und Lobito befriedigt - vor allem auch wegen sehr hohen Kosten - nicht. Sollte die Variante mit den Mehrzweckschiffen, die ein bis zweimal pro Monat zwischen Nordeuropa und Südafrika unterwegs sind, könnte das eine interessante Alternative sein, um mindestens einmal monatlich Güter sowohl von Südafrika wie auch von England zu bekommen, ohne dass ein ganzes Schiff gechartert werden muss. Das würde dann etwas an die "gute alte Zeit" erinnern, als die Union Castle Liner regelmässig vor Jamestown ankerten und Fracht und Passagiere aus- beziehungsweise einluden. Wir sind gespannt, ob diese Lösung am Schluss in Frage kommt. Bares ist Wahres. Für Touristen, die kein Konto bei der Bank of St. Helena haben, hat diese Devise jahrelang gegolten, seit der einzige Geldautomat vor vielen, vielen Jahren abgebaut wurde und internationale Kreditkarten nur von ganz wenigen Geschäften akzeptiert wurden. Jetzt aber hat die Bank of St. Helena mit der "St. Helena Tourist Card" eine App freigeschaltet, wo man sich von seinem Paypalkonto oder seiner Kreditkarte einfach Guthaben hochladen kann, analog dem schweizerischen TWINT oder dem deutschen BLUECODE. Mit der "St. Helena Tourist Card" kann man dann in allen Geschäften auf St. Helena bargeldlos bezahlen, welche am schon länger für Einheimische aktivierten "St. Helena Pay"-System mitmachen. Die Zeit, wo man gezwungen war, einen ganzen Bündel Bargeld an Britischen Pfund mitzunehmen, gehören dann definitiv der Vergangenheit an. Die Wanderwege im Diana's Peak Nationalpark sind bis mindestens Ende 2023 gesperrt. Der Grund ist ein Krankheitserreger namens Phytophthora, welcher die Wurzeln der endemischen Pflanzen im Park angreift und so die Pflanzen und Bäume von unten absterben lässt. Der Grund, dass der Zugang zum Park verboten wird, liegt darin, dass der Krankheitserreger vor allem entlang der Wanderwege gefunden wurde, so dass der Schluss nahe liegt, dass der Krankheitserreger durch - zum Beispiel - an Wanderschuhen klebenden Schlamm oder Feuchtigkeit weiter im Nationalpark verbreitet wurde. Mit dem Zugangsverbot hofft man, dass sich die Seuche weniger schnell verbreitet, denn die Auswirkungen sind meistens recht gravierend. So hat eine andere Phytophthora-Art im 19. Jahrhundert die irische Kartoffelernte zerstört, was zur grossen Hungersnot in Irland führte. Auf St. Helena steht zwar nicht die Ernährungssicherheit auf dem Spiel, aber Diana's Nationalpark ist ein wichtiger Wasserspeicher für St. Helena und eine starke Schwächung der Flora hätte unweigerlich auch Auswirkungen für die Wasserversorgung.
Das Museum von St. Helena möchte schon lange in einer ehemaligen Lagerhalle gleich neben dem bestehenden Museum ein "Cultural Center" einrichten. Seit dem Besuch von Lord Ashcroft im April 2023 auf St. Helena, ein langjähriger Mäzen für die Insel, ist die Realisierung ein wichtiger Schritt weiter. Sofern die Heritage Society £ 100'000.-- zusätzliche Mittel für den Ausbau des Erweiterungsbaus auftreiben könne, dann werde er, Lord Ashcroft, ebenfalls £ 100'000.-- an das Projekt beisteuern. Dass dies keine leeren Worte sind, hat er schon öfters bewiesen. Diesen Winter hat Lord Ashcroft zum Beispiel die Renovation der "Jacobs Ladder" auf St. Helena finanziert, deren Treppenstufen in den letzten Jahrzehnten stark gelitten hatten. Dann drücken wir der Heritage Society die Daumen, dass sie bei ihrem Fundraising erfolgreich sein wird. Die Heritage Society kann per E-Mail erreicht werden: enquiries@museumofsainthelena.org
Am 3. März 2023 ankerte wieder einmal ein grosses Kreuzfahrtschiff in James Bay, die maximal 2'800 Passagiere fassende Costa Deliziosa der italienischen Kreuzfahrtreederei Costa. Insgesamt 1650 Passagiere freuten sich auf einen kurzen Besuch der Insel. Rund ein Viertel davon buchte bereits eine Inseltour an Bord des Schiffes, andere buchten vor Ort einen Taxifahrer für eine Tour und andere schlenderten einfach durch Jamestown. Die Lokalzeitung "St. Helena Independent" - nie verlegen um einen bissigen Kommentar - titelte nach dem erfolgreichen Besuch "Cruise Ship or Hospital Ship?" und fragte sich, ob das Schiff nicht nur sechs Stunden sondern sechs Tage hier bleiben will, weil vom Schiff soviel Material an Land transportiert wurde, um den Ausschiffungs- und Einschiffungsbereich auszurüsten.
Zurück zu der Spitalschiff-Bemerkung: Bevor überhaupt erste Passagiere am späteren Vormittag ausschiffen konnten, standen zwei Ambulanzen bereit, welche Passagiere ins lokale Spital brachten. Auch später am Tage wurden die Sirenen der Ambulanzen gehört. Ein Hauptproblem, um dieses für die Insel durchaus interessante Potential an Kreuzfahrtbesuchern auszuschöpfen, liegt am Liegeplatz - respektive an einem fehlenden. Die Schiffe müssen in der Bucht ankern und die Passagiere müssen mit Tenderbooten an Land gebracht werden. Je nach Wellengang hat schon mehr als ein Kapitän eines Kreuzfahrtschiffes entschieden, aus Sicherheitsgründen keine Passagiere an Land zu lassen. Da die Verweigerung eines Landganges an einem aussergewöhnlichen Reiseziel wie St. Helena nicht für eine gute Stimmung an Bord sorgen, überlegen sich die Routenplaner von Reedereien halt zweimal, ob man einen Stopp auf St. Helena wirklich riskieren soll. Auch beim Besuch der Costa Deliziosa war die See nicht ruhig, aber der Kapitän liess den Landgang zu. Interessant die Bemerkung eines Zuschauers an Land: Die Besatzungen der Tenderboote verzichteten auf die Hilfe von Einheimischen beim Landemanöver und hatten deshalb oft Schwierigkeiten, die Passagiere auszuschiffen. Kommentar von einem Saint: Die Leinen zu straff angebunden und der Motor nicht synchron mit den Wellen. Hier haben die Zodiacfahrer von kleineren Expeditionskreuzfahrtschiffen einen Vorteil: Sie sind es sich gewohnt, auch bis zu einem gewissen Wellengang mit den Zodiacs noch Gäste an Land zu bringen (und dann auch wieder sicher zurück). Wird St. Helena nach der Öffnung für Touristen im letzten August überrannt von Besuchern? Nein. Das liegt an mehreren Faktoren: Schon alleine der einzige Flug pro Woche kann maximal um die 100 Passagiere mitnehmen - inkl. Einheimische und geschäftlich Reisende. Neben dieser ersten Hürde sind es vor allem auch die verfügbaren Unterkünfte. In Jamestown stehen nach einer Zusammenstellung von der Wochenzeitung "St. Helena Independent" nur 48 Zimmer mit Dusche/WC zur Verfügung (aktuell krankheitsbedingt sogar nur 44), wovon 30 im Mantis Hotel. Die 18 Gästezimmer ausserhalb von Jamestown und die Selbstverpflegungs-Unterkünfte machen den Braten dann auch nicht mehr feiss. Gerade über die Festtage um Weihnachten/Silvester empfiehlt es sich ein Jahr im Voraus zu reservieren. Aber nicht nur Unterkünfte können rar werden. Gerade für Besucher, die ausserhalb von Jamestown wohnen, ist ein Mietwagen meistens ein Muss. Und diese gibt es auf der Insel auch nur in limitierter Anzahl. Zudem ist kompetentes Personal im Hospitality Sektor schwierig zu finden auf der Insel. Alleine das Mantis Hotel hatte im Februar 2023 15 Stellen ausgeschrieben. Besteht nun die Gefahr, dass aufgrund dieser Mangellage internationale Hotelketten auf St. Helena Hotelbunker aufstellen? Wer schon auf St. Helena war, wird nur schon den Gedanken an einen Hotelbunker für völlig verrückt halten. Die Topografie, die Insel-Infrastruktur, das Fehlen von Stränden und das knappe Gut "Süsswasser" sind nur einige Gründe, wieso das nie geschehen wird. Nur weil es eine kleine, abgelegene Insel ist, heisst es nicht, dass es eine abgeschiedene Idylle ist. Das kleine, im Zentrum von Jamestown gelegene Gefängnis ist längestens nicht mehr zeitgemäss und meistens "ausgebucht". Die Diskussionen um den Bau (respektive die Finanzierung) eines neuen, moderneren Gefängnisses, dauern seit vielen Jahren an. Die Polizei muss sich sehr oft mit Bagatellen herumschlagen. So wurde um die Weihnachtszeit eine Ruhebank an der Seafront beschädigt und eine Fussballtrophäe gestohlen. Für beide Straftatten verfasste die Medienstelle der Regierung jeweils eine Medienmitteilung mit einem Zeugenaufruf. Für in urbanen Regionen lebende Lesende ist dieser Aufwand für zwei - relativ - harmlose Delikte, fast schon amüsierend. Es gibt jedoch durchaus ernste Themen, mit denen sich die Polizei auf der Insel beschäftigen muss. Häusliche Gewalt/sexuelle Belästigung sind Themen, mit denen sich die Polizei und das Gericht regelmässig beschäftigen muss. So schön die Insel und wunderbar die Einwohner von St. Helena generell sind, auch eine abgelegene Lage verschont eine Gemeinschaft nicht vor Problemen.
|
AuthorUrs Steiner Archives
Oktober 2023
Categories
Alle
|