Um 6:30 holt mich Billy, einer meiner zwei Taxifahrer auf St. Helena, pünktlich von meiner Unterkunft in Jamestown ab zur knapp halbstündigen Fahrt quer über die Insel zum Flughafen von St. Helena. In der Abflughalle wird zuerst der Rollkoffer sowie mein Handgepäck gewogen. Obwohl mein Koffer zwei Kilo zuviel und mein Handgepäck gut 1,5 Kilo über dem Limit ist, werde ich nach einem Kurzen zögern von der Dame hinter der Waage durchgewunken zum Check-in-Schalter. Mein Glück, dass der Flug nicht ausgebucht ist, denn das Startgewicht für die nach London eingesetzte Boeing 757 ist begrenzt und es gab schon Flüge, wo das Gewicht auf von 20 auf 15 Kilo für das Hauptgepäck reduziert wurde - und dies striktest umgesetzt werden musste. Das Check-in verläuft nach einem kurzen Anstehen problemlos. Die Gepäcketikette wird - ganz niedlich - tatsächlich von Hand ausgefüllt. Wenn man bedenkt, dass dies einer der neusten internationalen Flughäfen der Welt ist, eine eher unerwartete Praxis. Aber da im Moment sowieso nur alle drei Wochen ein Passagierflieger die Insel St. Helena anfliegt, hat man die Zeit dazu ja. Die Sicherheitskontrolle und die Abflughalle sind modern, sauber und so, wie sie auf vielen kleinen Flughäfen der Welt sind. Als der Flug aufgerufen wird, heisst es auch Abschiednehmen von der maskenfreien Zeit. Da die Insel St. Helena dank rigorosen Einreisebestimmungen bisher von der COVID-Pandemie verschont blieb, bestehen auf der Insel auch keine Einschränkungen wie Social Distancing und Maskentragpflicht. Ab dem Betreten des Flugfeldes, ist diese maskenfreie Herrlichkeit vorbei. Die eingesetzte Boeing 757 von der Chartergesellschaft Titan Airways fliegt im Auftrag der Regierung bis Anfang März 2022 alle drei Wochen zwischen London und St. Helena. Auf unserem Flug befinden sich ungefähr 60 bis 70 Passagiere, was knapp die Hälfte der möglichen maximalen Passagierkapazität bedeutet. Aufgrund der kurzen Landebahn kann die Boeing 757 nie ganz ausgelastet werden (deshalb eben auch die strengen Gepäckkontrollen). Die Sitzplatzkonfiguration auf diesem Flug bevorzugt die zuerst eingestiegenen Fluggäste. Da keine Sitzplätze zugeteilt wurden (man kann nur Economy reisen), kann jeder sitzen, wo er möchte. Und auf diesem Flug sind die ersten zehn Reihen mit breiteren Business-Klass-Sitzen ausgestattet, während die restlichen Reihen mit der gewohnten 3er-Bestuhlung aufwarten können. Da der Flieger aber nur schwach ausgelastet ist, hat jeder der will, drei Sitze für sich zur Verfügung. Der Start erfolgt pünktlich kurz nach 9 Uhr morgens: Kräftig Gas geben und ab geht es in Richtung Wolkendecke für den ruhigen, rund dreistündingen Flug nach Accra in Ghana. Da werden rund 15 Passagiere aussteigen und von dort ihre afrikanischen Endziele wie Simbabwe und Südafrika erreichen. Der Hauptgrund für den gut einstündigen Stopp ist aber das nötige Auftanken für den Flug über Afrika bis nach London. Die sechs Stunden Flug über Afrika verbringen wir über der Wolkendecke. Da es in der 21-jährigen, ursprünglich für IBERIA im Einsatz gewesenen Boeing 757 kein bordeigenes Unterhaltungssystem gibt, dösen die verbliebenen Passagiere vor sich hin oder ziehen sich auf ihrem Laptop einen Film oder ein Game rein. In der Mitte des Flugzeuges wird eine kleine Selbstbedienungs-Snackbar aufgestellt und das Licht wird für die nächsten Stunden auf Nachtmodus umgestellt. Nach einem schönen Sonnenuntergang über der Sahara wird rund zwei Stunden vor der Landung in London Stansted noch ein Abendessen serviert. Wie auf dem gesamten Flug gibt es auch dazu nur alkoholfreie Getränke, denn die Regierung von St. Helena hat nur das für die Fluggäste bestellt. Nach einem kurvenreichen Anflug auf den von Rynair dominierten Flughafen Stansted stehen wir Passagiere aus der einsamen Insel im Südatlantik dann sehr schnell wieder in den Myraden von zurückkehrenden Ferienrückkehrern von den Mittelmeerinseln an der Reisepasskontrolle an. Wie so üblich, hat einem der Alltag wieder sehr schnell im Griff und man hetzt nach der Zollkontrolle zum Flughafenbahnhof, um möglichst den nächsten Zug ins Zentrum von London zu erreichen. Man müsste ja sonst maximal 30 Minuten auf den nächsten Zug warten. Das gemächliche Inselleben im Südatlantik, das war einmal...vor nicht allzu langer Zeit.
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AuthorUrs Steiner Archives
Oktober 2023
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