Zunächst einmal: Wie fühlt es sich an, der Leiter des Besucherinformationsdienstes zu sein, aber seit fast zwei Jahren kaum Touristen auf der Insel zu haben? Es ist ziemlich surreal, manchmal muss ich mich am Kopf kratzen und mich fragen: "Warum mache ich das? Ich schätze, ich bin ein bisschen ein Masochist! Wie waren Ihren ersten Erfahrungen mit der Tourismusentwicklung seit der Eröffnung des Flughafens 2017 Ich bin schon seit etwa einem Jahrzehnt im Tourismus und Gastgewerbe auf St. Helena tätig. Ich habe also miterlebt, wie sich der Tourismussektor auf der Insel verändert und entwickelt hat. Es ging zwar langsam los nach der Eröffnung des Flughafens 2017, aber sobald die Dinge ins Rollen kamen - mit Reiseveranstaltern, die den Anstieg des Besucheraufkommens ankurbelten, vor allem im Bereich der maritimen Aktivitäten, insbesondere des Tauchens -, hatte ich das Gefühl, dass die Insel das Tempo verkraften konnte und - was noch wichtiger ist - ein nachhaltiges Wachstum mit einem stetigen Anstieg von Jahr zu Jahr erreichte. Dann schlug COVID zu. Der kommerzielle Flugverkehr wurde eingestellt. Nach der Einstellung des Airlink-Dienstes beauftragte die Regierung von St. Helena Titan Airways bis Juni 2021 auf Ad-hoc-Basis nur mit lebenswichtigen Flügen (medizinische Versorgung, Repatriierung und wichtige Mitarbeiter). Wenn Sie dachten, dass St. Helena schon vorher Probleme mit der Verkehrsanbindung hatte, wurde die Geduld der Inselbewohner in dieser Zeit wirklich auf die Probe gestellt! Ab dem Sommer 2021 wurden weitere neun Flüge geplant bis in den März 2022. Dieser Zeitplan mit etwa einem Flug pro Monat, gepaart mit den notwendigen Reisebeschränkungen und strengen Quarantäneprotokollen, um die Einschleppung von COVID-19 zu verhindern, führte zu einem drastischen Rückgang der Besucherzahlen. Es kamen fast keinen reinen Touristen mehr. Auch die Besuche von Freunden und Verwandten von Ascension, den Falkland Inseln und dem Vereinigten Königreich nahmen drastisch ab. Ein Reisekorridor zwischen Ascension und St. Helena hat wenigstens unsere Tourismusstatistik, insbesondere in der Weihnachtszeit, sehr gestützt. Wie vermarktet sich St. Helena jetzt und wie beschäftigen Sie sich, so (fast) ganz ohne Besucher auf der Insel? Nach der Schliessung von Enterprise St Helena - einer halbstaatlichen Einrichtung der Regierung von St. Helena, bis zum 31. März 2021 für den Tourismus auf St. Helena zuständig war - fallen die Zuständigkeiten für den "Tourismus und die Besucherinformationsdienste" jetzt in den Bereich "Nachhaltige Entwicklung" des Ressorts "Finanzen, Infrastruktur und nachhaltige Entwicklung" der Regierung von St. Helena. Während die Besucherzahlen offensichtlich stark zurückgegangen sind, haben wir uns in den letzten Monaten über ein arbeitsreiches Weihnachtsfest, über Aufträge von Vertragsarbeitern und zwei Besuche der Royal Navy gefreut. Ansonsten halten mich Produktentwicklung, Infrastrukturverbesserungen, fortgesetzte Marketing- und Werbemassnahmen, die Pflege und der Aufbau von Beziehungen zu lokalen und ausländischen Interessengruppen, die Bearbeitung einer überraschenden Menge von Anfragen und die Planung unserer eventuellen - aber wahrscheinlich schrittweisen - Öffnung ziemlich auf Trab. Das Tourismusteam besteht nur noch aus mir und meiner Assistentin Jane Roberts. Erfreulicherweise sind jetzt im Januar schon wieder die ersten Touristen auf der Insel, zwar nur vereinzelt, aber es ist ein Anfang! Die Regierung von St. Helena hat angekündigt, dass die AIRLINK-Flüge von/nach Südafrika im März 2022 wieder aufgenommen werden sollen. Bedeutet das auch, dass die Einreisebestimmungen für Touristen gelockert werden, insbesondere die derzeit vorgeschriebene Quarantänezeit von zehn Tagen? Im Januar 2022 ist St. Helena weiterhin COVID-frei. Es gab zwar eine Handvoll positiver Fälle mit geringen Symptomen, aber keine Ausbreitung in der Bevölkerung. Deshalb ist vor jeder Reise nach St. Helena ein PCR-Test nötig. Derzeit unterliegen alle aus England auf dem Luftweg ankommenden Personen einer obligatorischen zehntägigen Quarantänezeit. Bei Seeschiffen kann die Zeit auf See auf die zehn Tage angerechnet werden. Ab dem letzten Anlaufhafen muss eine mindestens 10-tägige Isolierung erfolgen. Auf einer kleinen Insel, wo die Regierung keine Maskentragpflicht oder Social Distancing-Massnahmen ergreifen musste, ist es uns entgangen, wie sich die Welt an neue Lebens- und Arbeitsweisen anpassen musste. Wir haben im Grossen und Ganzen wie gewohnt weitergemacht. Aber die Auswirkungen der stark gesunkenen Besuchereinnahmen haben viele lokale Unternehmen stark beeinträchtigt. St. Helena ist ein ganz besonderes Urlaubsziel ohne echte Strände und ohne Ferienanlagen. Was bewegt Touristen dazu, diese abgelegene Insel im Südatlantik zu besuchen? Viele Studien und Vergleiche mit anderen Inselzielen kommen zu dem Schluss, was die meisten von uns auf St. Helena bereits wissen: St. Helena ist nirgendwo anders zu finden. Wir sind kein Reiseziel für weisse Sandstrände, für „Fly and flop“-Touristen, also die sofort nach der Ankunft den Liegestuhl aufsuchen und einen Daiquiri bestellen. Um St. Helena schätzen zu lernen, muss man sich aufmachen und die Insel entdecken. Sie wird nicht einfach so zum Besucher kommen. Die Insel ist einzigartig, aussergewöhnlich, manche würden sagen, skurril. Aber für eine so kleine Insel hat sie auch so viel zu bieten. Die Bevölkerung ist super freundlich, ein wirklich sicherer Ort zum Leben, ohne wirkliche Wetterextreme - und ich bin sehr stolz darauf, die Insel mein Zuhause nennen zu dürfen. Warum lieben Sie St. Helena? St. Helena bedeutet Meerblick in alle Richtungen. In der einen Minute befindet man sich in einer wüstenähnlichen Landschaft, und ein paar Meter weiter ist man von sanften grünen Hügeln umgeben. Es geht um 360-Grad-Aussichten auf die Insel und den Atlantik in jede Richtung, vom endemischen Nebelwald am Diana's Peak. Es geht um atemberaubende Ausblicke auf die Milchstrasse bei Nacht. St. Helena, das ist der Klang der Meereswellen, die sanft gegen die Felsen oder die Schiffsrümpfe klatschen; ein Schiffshorn, das in der Bucht ertönt; Pfadfinderhörner und -trommeln bei traditionellen Umzügen; eine Mischung aus Country, Reggae, Rockballaden der 90er Jahre und modernen Chart-Hits; Vögel, die bei Sonnenuntergang in den Bäumen nisten und zwitschern; und das lockere Geplapper des St. Helena-Dialekts, der Menschen, die sich auf der Strasse grüssen, und der Kinder, die frei und fröhlich spielen. Ich liebe die Stille, die Ruhe und das Leben inmitten der Natur. Matthew Joshuas 23 Gründe, wieso man St. Helena besuchen sollte, finden Sie hier. Was ist aus den touristischen Anbietern geworden, die in der Vergangenheit Touristen empfangen haben? Wie haben sie die letzten zwei Jahre überlebt (oder haben sie überlebt)? St. Helena war vor dem COVID ein junges Reiseziel. Wir waren, was den Rennsport betrifft, kaum aus den Startlöchern gekommen. Da viele Unternehmen erst 2017 mit der Eröffnung des Flughafens ihren Weg im Bereich der touristischen Dienstleistungen gefunden hatten, mussten viele von ihnen mit dem Besuchereinbruch wegen COVID ihr Angebot ändern, weiter diversifizieren, oder ihren Betrieb ganz einstellen oder mindestens einmotten. Diejenigen Unternehmen, die in der Lage waren, ihr Angebot zu diversifizieren, oder die bereits eine Vielzahl von Geschäften betrieben, haben sich einen Vorsprung verschafft und werden mitgestalten können, wie der Tourismus aussehen wird, wenn wir anfangen, uns zu öffnen. Mit Blick auf die Zukunft und darauf, wie unser Tourismussektor aussehen wird, halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass die Unternehmen, die bereit sind, sich an neue Arbeitsweisen anzupassen (z. B. Diversifikation) und gleichzeitig in ihrem touristischen Angebot konsistent sind und ein von Reiseveranstaltern gewünschtes Serviceniveau bieten - z. B.: sich selbst vermarkten können, schnelle Reaktionszeiten haben, konsistente Öffnungszeiten haben, verfügbar, freundlich und flexibel sind, einen guten Kundenservice bieten, ein qualitativ hochwertiges F&B-Angebot bereitstellen, Provisionen anbieten und ihre Preise marktgerecht variieren, werden langfristig erfolgreich sein. Diejenigen, die Transport, F&B, Unterkunft, Touren usw. anbieten können, das heisst die lokalen „Destination Management Companies“, werden den Sektor zunehmend dominieren. Wenn sie alles aus einer Hand anbieten, wird es weniger Nachfrage nach anderen Tourismusdienstleistern geben, die die Lücken füllen, es sei denn, die bestehenden Unternehmen werden kreativ und beginnen, neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt zu bringen. Diejenigen, die sich ihren Kundenstamm "aussuchen" und sich nicht anpassen, werden es schwer haben, im Geschäft zu bleiben. Wenn wir in den nächsten zwei bis drei Jahren keine signifikante Zunahme des Flugverkehrs sehen, um die Verluste bei den reinen Tourismuseinnahmen auszugleichen. Es wird ein sehr schwieriger und holpriger Weg zur Erholung sein. Die Zahl der Hotelbetten auf St. Helena ist sehr begrenzt. Nur das Mantis Hotel und das Consulate Hotel verfügen über eine nennenswerte Anzahl von Zimmern. Wie kann das einst kommunizierte langfristige Ziel von 30‘000 Touristen pro Jahr erreicht werden, wenn keine grösseren zusätzlichen Unterkunftskapazitäten in Planung sind? Mit der Tourismusstrategie 2012-2016 wurde angestrebt, bis 2021 jährlich etwa 6‘300 Besucher anzuziehen. Wenn dieses Ziel erreicht worden wäre, könnte die Insel durch den Bau von zusätzlichen Unterkünften bis 2032/33 schätzungsweise 30‘000 Touristen pro Jahr empfangen, unterstützt durch einen täglichen Flug auf die Insel. Das Ziel von 30'000 Besucher basierte auf 472 verfügbaren Zimmern mit einer durchschnittlichen Auslastung von 56 %. Es wurde eine Obergrenze für den Tourismus von 1‘500 Betten vorgeschlagen, wobei eingeräumt wurde, dass die Wachstumskurve sehr steil ist, die Ziele aber "unmittelbar erreichbar" seien. Die Zahl von 30‘000 wurde seit der Eröffnung des Flughafens viel geschmäht und missverstanden und verzerrt immer noch realistische Erwartungen und Tourismusziele, die nun durch die Pandemie noch weiter erschwert werden. Um Ihre Frage zu beantworten: Nein, die Realität sieht so aus, dass ohne eine schrittweise Erhöhung der Zimmerzahl - und zwar mit einem Mix aus verschiedenen Unterkunftsarten - die Entwicklung des Tourismus auf St. Helena durch einen Mangel an Unterkunftsmöglichkeiten stark eingeschränkt wird. Wenn die Nachfrage wieder steigt, hoffe ich, dass die Privatwirtschaft Möglichkeiten für die Bereitstellung von Unterkünften erkennt. Erfreulicherweise hat das mit 30 Zimmern grösste Hotel, das 4-Sterne-Hotel Mantis, angekündigt, im September 2022 wieder zu öffnen. St. Helena ist im Vergleich zu den meisten anderen Inseln in der Karibik oder im Indischen Ozean, wo der Tourismus bereits eine etablierte Branche ist, noch ein sehr junges Urlaubsziel. Wo sehen Sie den Bedarf an zukünftigen Investitionen, um die Erwartungen der modernen Besucher zu erfüllen? Ganz sicher in den Unterkunftssektor und in verstärkte Marketingaktivitäten. Auch eine bessere Internet-Anbindung, die mit dem neuen Glasfaserkabel in den nächsten zwei Jahren kommen wird. Daneben gilt es aber auch, unsere lokalen Dienstleister weiterzuentwickeln, damit sie ein authentisches und nachhaltiges Erlebnis bieten können - ein Erlebnis, das man nicht vergisst, das man wiederholen kann und von dem man seinen Freunden und Verwandten erzählen oder nach einem Besuch eine gute Bewertung abgeben möchte, was zu weiteren Besuchen anregt. Die grösste Herausforderung bei der Entwicklung der touristischen Produkte, Dienstleistungen und Märkte auf St. Helena besteht darin, eine nachhaltige Identität zu schaffen, die die natürlichen und menschlichen Werte der Insel schützt und aufwertet. Die Einheimischen müssen davon überzeugt werden, dass sie mit dem Tourismus/mit den Besuchern Geld verdienen können, damit sie hinter der Tourismusstrategie stehen und die Entwicklung des Sektors vorantreiben. Ausserdem wurde zum ersten Mal eine bedeutende Arbeit zur Definition der "Marke St. Helena" geleistet. Dies ist sehr ermutigend und wird die weiteren Marketingbemühungen stark unterstützen. Die Insel bietet eine Fülle und Bandbreite an kulturellen und historischen Attraktionen, sowohl bauliche als auch natürliche, die in spektakuläre Landschaften eingebettet sind. St. Helena verfügt zwar über ein attraktives Produktepalette, die auf einer Fläche von nur 123 Quadratkilometern konzentriert ist aber auf dem Weltmarkt noch weitgehend unbekannt und im internationalen Vergleich nur schwer zu erreichen ist. Die Qualität der touristischen Infrastruktur bleibt hinter internationalen Standards zurück. Die Herausforderungen, die sich stellen, wenn es darum geht, ausreichende Investitionen anzuziehen und qualitativ hochwertige Unterkünfte zu entwickeln, die Insel auf einen Anstieg der Besucherzahlen vorzubereiten und gleichzeitig die empfindlichen ökologischen, sozialen und kulturellen Werte zu schützen, stellen ein komplexes und allumfassendes Paradigma dar. Paradoxerweise könnten jedoch gerade die Eigenschaften, die die Entwicklung einer tourismusorientierten Wirtschaft behindern - die Abgeschiedenheit der Insel, die Schwierigkeiten bei der Erreichbarkeit, das Fehlen gross angelegter Erschliessungen - die grössten touristischen Trümpfe der Insel sein, wenn sie effektiv vermarktet werden. Es ist bekannt, dass Kreuzfahrtpassagiere pro Tag erheblich mehr ausgeben als ein normaler Tourist, der auf der Insel bleibt. Wie sieht Ihre Strategie für den Besuch von Kreuzfahrtschiffen aus? St. Helena hat in der Vergangenheit grosse Kreuzfahrtschiffe wie die Queen Elizabeth 2 oder die Queen Mary 2 willkommen geheissen. Bei mehr als 2‘000 Besuchern, die die Inselbevölkerung kurzfristig um 50 % erhöhen, wird die Aufnahme von Schiffen dieser Grösse und die Gewährleistung eines positiven Besuchererlebnisses jedoch zu einer Angelegenheit, bei der ein erheblicher Teil der Inselbewohner Dienstleistungen erbringen muss. Dies ist logistisch unhaltbar, wenn wir regelmässig grosse Kreuzfahrtschiffe aufnehmen wollen. Zwar gibt es in der Ruperts Bay neben der Hauptstadt Jamestown eine kleine Anlegestelle, doch ist diese auf den Frachtverkehr ausgerichtet und nicht auf die Beförderung von Kreuzfahrtpassagieren im grossen Stil. Kreuzfahrtschiffe ankern in der Regel draussen in der Bucht, und die Passagiere werden über eine Gangway und ein Tenderboot-System hin- und hergebracht. Raue See kann eine Herausforderung darstellen, und der Kapitän muss dann entscheiden, ob es sicher ist, an Land zu gehen. Es gab schon Situationen, in denen sich die Insel auf den Besuch eines Kreuzfahrtschiffes vorbereitet hat und die Passagiere aufgrund der Wellen nicht an Land gehen konnten. Das ist sehr enttäuschend für die Passagiere und die Tourismusdienstleister. Ich persönlich bin der Meinung, dass Kreuzfahrtschiffe mit bis zu 150, vielleicht bis zu 200 Passagieren auf einmal das Beste aus St. Helena herausholen. Die Aufteilung dieser Gruppengrösse in kleinere Gruppen, die gut auf der Insel aufgenommen werden können, die Berücksichtigung einer kleinen Anzahl von qualifizierten Reiseleitern, die eine Vielzahl von Ausflügen und Aktivitäten anbieten, die Verfügbarkeit geeigneter Transportmittel, attraktive Verpflegungsmöglichkeiten und der Verkauf hochwertiger Souvenirs - all dies ist der Schlüssel zu einem positiven Erlebnis auf St. Helena und wird sicherstellen, dass die durchschnittlichen Tagesausgaben maximiert werden. Mit sorgfältiger Planung und in enger Zusammenarbeit mit dem Kreuzfahrtpersonal und den Akteuren auf der Insel können wir klein anfangen und schrittweise aufbauen. Eine Überschwemmung der Insel mit einer riesigen Anzahl von Kreuzfahrtpassagieren, die die Dienstleister der Insel überfordert, würde der Insel langfristig keinen Nutzen bringen. Es könnte sogar katastrophale Folgen haben, insbesondere in einigen Gebieten, in denen es empfindliche Lebensräume mit einer einzigartigen Flora und Fauna gibt. Herzlichen Dank für dieses ausführliche und aufschlussreiche Interview. Matthew Joshua, ausgebildeter Tourismus Manager, wurde auf St. Helena geboren. Er hat als General Manager die Eröffnung des ersten 4*-Hotels auf St. Helena organisiert und es anschliessend als General Manager für zwei Jahre geleitet. Anschliessend ging er ein Jahr auf Reisen mit dem Plan, anschliessend wieder nach St. Helena zurückzukehren und sein eigenes Restaurant sowie eine eigene „Destination Management Company“ zu gründen. Pläne, welche COVID zunichte machte. Nach Ausbruch der Pandemie leitete er für ein Jahr die Quarantänestation auf der Insel und arbeitet seit Mai 2021 als Leiter des St. Helena Besuchszentrums.
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Die südafrikanische Trade Winds Corporation hat am 7. Januar 2022 offiziell das für den Bau von bis zu 100 Villen vorgesehene Land in der Region Horse Pasture vom bisherigen Eigner Solomons übernommen. Die Region Horse Pasture ist eine der abgelegensten Regionen auf St. Helena. Man benötigt rund 3/4 Stunden mit dem Auto, um das nur vier Kilometer Luftlinie entfernte Jamestown zu erreichen. Die Trade Winds Corporation ist aber davon überzeugt davon, dass ihr Projekt alle weiteren Hürden auch nehmen wird. Gemäss der Lokalzeitung "St. Helena Independent" habe deshalb das Unternehmen alle anderen Unternehmensteile veräussert. Musterwohnungen wurden bereits 2018 in der Region von Alarm Forest gebaut. Da können zukünftige Bewohner sich ein Bild machen, wie es sich in den voraussichtlich zwischen CHF 650'000.-- und CHF 1'000'000.-- teuren Häuser wohnen lässt.
Bis aber die ersten Bagger auffahren werden, wird es so oder so noch länger dauern. Bevor nicht alle Reiserestriktionen auf St. Helena aufgehoben werden - speziell die aktuell nötige Quarantäne - geschehe gar nichts. Ab dem 26. März 2022 wird AIRLINK alle zwei Wochen wieder ab Johannesburg nach St. Helena fliegen. Einmal im Monat wird das Flugzeug zudem einen Shuttleflug nach Ascension Island durchführen. Es ist geplant, die Frequenz zu einem späteren Zeitpunkt wieder auf die früher üblichen wöchentlichen Flüge auszudehnen mit Zusatzflügen ab Kapstadt während der Hochsaison.
Freitag und Samstag Abend ist in Lower Jamestown die Party in vollem Schwung. Donny's, die Mule Yard und verschiedene Take-away-Stände um die Grand Parade sowie die Restaurants in Jamestown und Half Tree Hollow sind offen. Die Kalorienaufname in flüssiger oder fester Form ist problemlos möglich. 48 Stunden später, Montag Abend, Jamestown: Der Magen knurrt und der suchende Blick streift hilflos über "Closed"-Schilder. Lower Jamestown is ausgestorben. Wir sprechen hier nicht von zwei Uhr morgens, sondern von sechs Uhr abends, nur damit kein Missverständnis entsteht. Das Consulate Hotel, geschlossen, Anne's Place geschlossen, das Restaurant im Mantis aufgrund der Pandemie sowieso, das Blue Lantern geschlossen, die Take-Away-Stände weg oder verriegelt. Nur die Bars The Standard und The White Horse bedienen ihre traditionelle Stammkundschaft seit Stunden mit der täglichen Ration an südafrikanischem oder namibischem Bier. Haben sich alle Verpflegungslokale dem süssen Nichtstun verschrieben an diesem Montagabend? Nein, ein kleines Restaurant leistet noch Widerstand! Das in einer Arkade etwas zurückversetzte Orange Tree, ein asiatisches Restaurant und Take-away neben dem Mantis Hotel, hat tatsächlich seine Tür geöffnet und ich komme noch zu einer guten Portion "Fried noodles with vegetables". Zufrieden trotte ich anschliessend zurück zu meiner Unterkunft in Upper Jamestown. Glück gehabt - für dieses mal. Eine Woche später versuchte ich es wieder - dann war auch diese Tür geschlossen. Zum Glück gab es auf dem Nachhauseweg noch den kleinen Lebensmittelladen "Benji's"...
PS: Dieses Erlebnis war während der COVID-Pandemie. Unter normalen Umständen, wenn (mehr) Touristen auf der Insel sind, ist das Verpflegungsangebot am Abend vor allem in den Hotels auch während der Woche gewährleistet. Es empfiehlt sich aber in jedem Fall zu reservieren, da unter der Woche primär für die Hotelgäste gekocht wird. Um 6:30 holt mich Billy, einer meiner zwei Taxifahrer auf St. Helena, pünktlich von meiner Unterkunft in Jamestown ab zur knapp halbstündigen Fahrt quer über die Insel zum Flughafen von St. Helena. In der Abflughalle wird zuerst der Rollkoffer sowie mein Handgepäck gewogen. Obwohl mein Koffer zwei Kilo zuviel und mein Handgepäck gut 1,5 Kilo über dem Limit ist, werde ich nach einem Kurzen zögern von der Dame hinter der Waage durchgewunken zum Check-in-Schalter. Mein Glück, dass der Flug nicht ausgebucht ist, denn das Startgewicht für die nach London eingesetzte Boeing 757 ist begrenzt und es gab schon Flüge, wo das Gewicht auf von 20 auf 15 Kilo für das Hauptgepäck reduziert wurde - und dies striktest umgesetzt werden musste. Das Check-in verläuft nach einem kurzen Anstehen problemlos. Die Gepäcketikette wird - ganz niedlich - tatsächlich von Hand ausgefüllt. Wenn man bedenkt, dass dies einer der neusten internationalen Flughäfen der Welt ist, eine eher unerwartete Praxis. Aber da im Moment sowieso nur alle drei Wochen ein Passagierflieger die Insel St. Helena anfliegt, hat man die Zeit dazu ja. Die Sicherheitskontrolle und die Abflughalle sind modern, sauber und so, wie sie auf vielen kleinen Flughäfen der Welt sind. Als der Flug aufgerufen wird, heisst es auch Abschiednehmen von der maskenfreien Zeit. Da die Insel St. Helena dank rigorosen Einreisebestimmungen bisher von der COVID-Pandemie verschont blieb, bestehen auf der Insel auch keine Einschränkungen wie Social Distancing und Maskentragpflicht. Ab dem Betreten des Flugfeldes, ist diese maskenfreie Herrlichkeit vorbei. Die eingesetzte Boeing 757 von der Chartergesellschaft Titan Airways fliegt im Auftrag der Regierung bis Anfang März 2022 alle drei Wochen zwischen London und St. Helena. Auf unserem Flug befinden sich ungefähr 60 bis 70 Passagiere, was knapp die Hälfte der möglichen maximalen Passagierkapazität bedeutet. Aufgrund der kurzen Landebahn kann die Boeing 757 nie ganz ausgelastet werden (deshalb eben auch die strengen Gepäckkontrollen). Die Sitzplatzkonfiguration auf diesem Flug bevorzugt die zuerst eingestiegenen Fluggäste. Da keine Sitzplätze zugeteilt wurden (man kann nur Economy reisen), kann jeder sitzen, wo er möchte. Und auf diesem Flug sind die ersten zehn Reihen mit breiteren Business-Klass-Sitzen ausgestattet, während die restlichen Reihen mit der gewohnten 3er-Bestuhlung aufwarten können. Da der Flieger aber nur schwach ausgelastet ist, hat jeder der will, drei Sitze für sich zur Verfügung. Der Start erfolgt pünktlich kurz nach 9 Uhr morgens: Kräftig Gas geben und ab geht es in Richtung Wolkendecke für den ruhigen, rund dreistündingen Flug nach Accra in Ghana. Da werden rund 15 Passagiere aussteigen und von dort ihre afrikanischen Endziele wie Simbabwe und Südafrika erreichen. Der Hauptgrund für den gut einstündigen Stopp ist aber das nötige Auftanken für den Flug über Afrika bis nach London. Die sechs Stunden Flug über Afrika verbringen wir über der Wolkendecke. Da es in der 21-jährigen, ursprünglich für IBERIA im Einsatz gewesenen Boeing 757 kein bordeigenes Unterhaltungssystem gibt, dösen die verbliebenen Passagiere vor sich hin oder ziehen sich auf ihrem Laptop einen Film oder ein Game rein. In der Mitte des Flugzeuges wird eine kleine Selbstbedienungs-Snackbar aufgestellt und das Licht wird für die nächsten Stunden auf Nachtmodus umgestellt. Nach einem schönen Sonnenuntergang über der Sahara wird rund zwei Stunden vor der Landung in London Stansted noch ein Abendessen serviert. Wie auf dem gesamten Flug gibt es auch dazu nur alkoholfreie Getränke, denn die Regierung von St. Helena hat nur das für die Fluggäste bestellt. Nach einem kurvenreichen Anflug auf den von Rynair dominierten Flughafen Stansted stehen wir Passagiere aus der einsamen Insel im Südatlantik dann sehr schnell wieder in den Myraden von zurückkehrenden Ferienrückkehrern von den Mittelmeerinseln an der Reisepasskontrolle an. Wie so üblich, hat einem der Alltag wieder sehr schnell im Griff und man hetzt nach der Zollkontrolle zum Flughafenbahnhof, um möglichst den nächsten Zug ins Zentrum von London zu erreichen. Man müsste ja sonst maximal 30 Minuten auf den nächsten Zug warten. Das gemächliche Inselleben im Südatlantik, das war einmal...vor nicht allzu langer Zeit. Die Regierung von St. Helena verkündete diese Woche, dass ab ca. Ende März 2022 die Flüge mit der südafrikanischen Fluggesellschaft AIRLINK von Johannesburg nach St. Helena wieder aufgenommen werden. In einer ersten Phase ist ein Flug alle zwei Wochen geplant.
Die Flüge ab Südafrika wurden im März 2020 aufgrund der COVID-Pandemie eingestellt und durch Charterflüge der Regierung ab London ersetzt. Diese London-Flüge wurden in einer ersten Phase alle sechs Wochen durchgeführt und in einer zweiten Phase und noch bis Anfang März 2022 alle drei Wochen. Für viele Saints und Expats ging mit den Direktflügen England - St. Helena ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Die Charterflüge nach/von England kosten den immer klammen Schatzmeister der Insel jedoch viel Geld, so dass diese Flugverbindung ab März 2022 eine Fussnote in der Geschichte der Insel St. Helena sein wird. Ob im Zusammenhang mit der wieder hergestellten Flugverbindung von Südafrika auch die zehntägige Quarantänefrist auf St. Helena aufgehoben wird, ist noch nicht bekannt. Die regulären Airlink-Flüge ab Südafrika nach St. Helena sind seit mehr als 1 1/2 Jahren suspendiert. Im Moment ist die einzige direkte Verbindung zwischen Südafrika und St. Helena mit dem Frachtschiff HELENA. Während meines Aufenthaltes auf St. Helena erhielt ich die Gelegenheit, das Schiff während seiner Liegezeit an der Kai in Ruperts Bay zu besuchen. Der südafrikanische Kapitän Rudolph van Schalkwyk begrüsste mich an der Gangway und führte mich zur auf dem Hauptdeck gelegenen Passagierkabine. Die helle Kabine besteht aus insgesamt vier Etagenkojen, einer kleinen Sitzecke mit Schreibtisch und Dusche/WC. Die Kabine wirkt sehr hell und in einwandfreiem Zustand. Gemäss Kapitän van Schalkwyk nutzen im Moment vor allem Südafrikaner, die einen temporären Arbeitsvertrag auf St. Helena haben, die Möglichkeit, mit dem Frachtschiff nach oder von St. Helena zu reisen. Gemäss den lokalen Nachrichten war auf dieser Reise Major Wendy von der Salvation Army als Passagierin an Bord. Die HELENA ist ein kleines Frachtschiff, deshalb sind auch die öffentlichen Räume beschränkt. Die ebenfalls auf dem Hauptdeck gelegene Messe, wo die Mannschat wie auch die Passagiere die Mahlzeiten einnehmen, wirkt ebenfalls sehr gepflegt und hell. Ich bin positiv überrascht, da auf kleinen Frachtschiffen, diese Räume oft relativ wenig Tageslicht zulassen. Der Kapitän führt mich auf den Aussentreppe noch in Richtung Kommandobrücke. Wie heutzutage üblich sind die Aufbauten ohne übermässig grosse Decksflächen ausgestattet. Trotzdem gibt es auf jedem Deck etwas Platz um sich die Beine zu vertreten. Sogar ein Fitnessfahrrad war bei meinem Besuch auf einem Deck sicher verstaut, falls ein Passagier sich sportlich betätigen will. Von einem der Nocks hat man einen guten Blick über das Frachtdeck und - wenn auf See - auf die unendliche Weite des Südatlantiks. Der Kapitän wie auch die Crew war zuerst etwas skeptisch als er hörte, dass die HELENA Passagiere akzeptieren wird. Aber die Erfahrungen seien durchwegs positiv meint er. Er verstehe es zwar nicht, was die Passagiere an einer Frachtschiffreise so faszinierend finden. Aber das versteht eigentlich kein Frachtschiffkapitän, wieso man sich das freiwillig antut, auf einem Frachtschiff mitzureisen. Aber für Landratten ist es eine neue Welt, in die man sonst kaum Einblick erhält. Die HELENA fährt alle paar Wochen ab Kapstadt nach St. Helena und - je nach Bedarf - weiter nach Ascension Island. Die einfache Fahrt nach St. Helena dauert ca. sechs Tage, eine gesamte Rundreise inkl. Ascension ungefähr drei Wochen. Da auf St. Helena zum Zeitpunkt dieses Beitrags eine zehntägige Quarantäne gilt ist ein besonderer Vorteil der HELENA dieser, dass die Seetage an die Quarantänezeit angerechnet wird und man normalerweise nur noch vier Tage in Quarantäne muss, bevor man sich auf St. Helena frei bewegen kann. Weitere Informationen zur Frachtschiffreise mit der HELENA erhalten Sie von unserem Schiffsreisepartner Ship'N'Train Travel.
Mein Quarantäne-Quartier ist inkl. Veranda rund 60 Quadratmeter gross und hat alles, was man braucht. Ich platziere das obligatorische Quarantäneschild gut sichtbar beim Eingang und beginne meine 10 Tage Einsiedlerei. Meine zweitgrösste Sorge, ob der Kühlschrank/das Tiefkühlfach mit den bestellten Einkäufen gefüllt war, war grundlos. Auch meine grösste Sorge, dass der bestellte Internetanschluss nicht funktioniert, zerstreute sich schnell. Einzig mit meiner E-Mail-Adresse hatten sie Mühe und dachten wohl, dass mein Vorname "Urs" entweder ein Titel oder ein Verschrieb war und liessen diesen ganz einfach weg. Aber ich kann auch mit nur meinem Nachnamen in der temporären Mailadresse gut leben. Während den zehn Tagen habe ich mich strikt an meine Tagesroutine gehalten, eine Art "Home office light", einfach in einer anderen Umgebung, etwas späterem Arbeitsbeginn, einer längeren Mittagspause fürs Kochen und ein Nickerchen, und pünktlichen Feierabend um 17 Uhr. Jeden Tag zwischen 9 und 12 rief die Gesundheitsverantwortliche an um nachzufragen, ob ich irgend welche Symptome habe und ob alles ok war. Pünktlich um 17 Uhr gab es dann auf der Veranda mein Feierabendbier. Am Tag 2 klingelte das Telefon und ich wurde ultimativ aufgefordert, mich vor dem Bungalow zu zeigen. Von der Veranda der Vermieterin winkte mir dann ein Sicherheitsbeauftragter des Gesundheitsamtes zu und gab mir ein "Daumen hoch", als er mich bei seinem Kontrollbesuch pflichtbewusst vor meinem Häuschen sah. Anschliessend wurde ich anscheinend als vertrauenswürdig eingestuft und es folgten keine weiteren Kontrollbesuche mehr. Das kulinarische Fazit nach zehn Tagen darf als "zufriedenstellend" taxiert werden: kein dramatischer Gewichtsverlust (zugegebenermassen allerdings auch keine Zunahme). Es gab nicht nur Spaghetti sondern, im Rahmen der verfügbaren Lebensmittel, eine - sagen wir es mal so - nicht komplett ungesunde Ernährung. Die guten Ansätze, auch Kartoffeln zu essen und gewisse Gänge mit Zwiebeln zu verfeinern scheiterten nicht am guten Willen, sondern an der fehlenden Verfügbarkeit auf der Insel. Diese kamen erst wieder mit dem nächsten Schiff von Kapstadt nach meiner Quarantäne. Nachdem ich am 9. Tag wieder von einem Fahrer in voller Pandemiemontur zu einem weiteren Test in die zentrale Quarantänestation gefahren wurde und der Test negativ ausfiel, wurde mir am 10. Tag mitgeteilt, dass ich um 19 Uhr aus der Quarantäne entlassen sei. Als die zwei Damen vom Gesundheitsamt, die mir die "Entlassungsurkunde" übergaben, mich mit meinem Kurzhaarschnitt und doch eher maskulinen Aussehen entdeckten, mussten sie sich dafür entschuldigen, dass ich im Brief als "Mrs Urs Steiner" angesprochen werde. Ein weitere Spätfolge meines von meinen geschätzten Eltern gutgemeinten Vornamen-Wahl. Und wie war Tag 11, der erste Tag meiner neu gewonnen Freiheit, ohne Maske, ohne Social Distancing, ohne die dauernde Präsenz von COVID-19? Nach einem Rasiereinsatz, den mein Rasierapparat nach zehn Tagen Ferien an sein Limit brachte, ging es präsentabel auf zum ersten Einkauf ins Zentrum von Jamestown. Erstaunlicherweise gewöhnt man sich sehr schnell wieder daran, sich ohne Einschränkungen/Vorschriften bewegen zu können, wohl auch darum, weil wir in der Schweiz verhältnismässig lockere Einschränkungen hatten im Vergleich zu anderen Ländern. Ein während des strengen Lockdowns in England lebender Bekannter brauchte nach seiner Rückkehr auf die Insel eine gute halbe Stunde nach seiner Ankunft in Jamestown, bevor er sich traute, loszumarschieren, wo er während seines Einkaufs wie im "old normal" von seinen zahlreichen Bekannten herzlichst und ohne social distancing begrüsst wurde.
Überall, wo die Konversation über einen Satz hinaus ging, war die zweite Frage meistens, ob man gerade aus der Quarantäne kam. Und dass St. Helena mit 4'500 Einwohnern ein Dorf ist wurde mir spätestens im Postamt klar, wo ich mir eine Landkarte kaufte. Als ich für die Quittung meinen Namen buchstabierte kam aus der zweiten Reihe die Frage, ob ich derjenige sei, der jeweils um 17 Uhr sein Feierabendbier geniesse. Am 13. Oktober 2021 wurde auf St. Helena nicht nur eine neue Regierung gewählt, nein, auch ein neues Regierungssystem mit verantwortlichen Minister wird das aktuelle Gemeinschaftsgremium "Executive Council" (ExCo) ablösen. So wird jeder Minister neu für einen Teilbereich innerhalb seiner Budgetrahmens eigenständig verantwortlich sein und nicht mehr nur die "ExCo" als gesamtes. In einem ersten Schritt wurde das gesetzgebene "Legislative Councel" gewählt, aus dessen Reihen dann die Minister und der oder die Ministerpräsident/in gewählt wird.
Die Wahlbeteiligung von 60 % war die Höchste seit langem. Aus 29 Kandidaten und Kandidatinen wurden 12 in das gesetzgebende "Legislative Council" gewählt. Wie die lokale Wochenzeitung The St. Helena Independent feststellt, ist das Geschlechterverhältnis mit sieben Männern und fünf Frauen ausgewogener als vorher, das Durchschnittsalter etwas tiefer und die praktische Erfahrung aus Anstellungen im privaten Sektor ist stärker vertreten. Das, so der Independent, nähre die Hoffnung, dass die neue Regierung effizienter, kommunikativer und volksnaher sei als die bisherige. Dass in der Bevölkerung ein gewisser Unmut über die lokale Regierung herrscht ist daran abzusehen, dass nur drei wieder zu Wahl antretende Räte wieder gewählt wurden und vier abgewählt wurden. Die Hoffnung, dass mit der neuen Regierungsform und zum Teil neuen Kräften, die Regierung in diesen für St. Helena schwierigen Zeiten schlagkräftiger wird, ist gross. Die Regierung von St. Helena (SHG) hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt, so soll die Energie schlussendlich zu 100 % aus erneuerbarer Energie lokal produziert werden. Verschiedene Regierungsstellen geben dazu Auskunft: Inselwelten: Im 10-Jahres-Plan 2017-2027 erklärt die Regierung von St. Helena, dass eines der Ziele darin besteht, grüner zu werden, indem der CO2-Fussabdruck verringert, Fauna und Flora besser geschützt, Abfall reduziert und die Wasserversorgung für die Zukunft gesichert wird. Wie zufrieden ist die Regierung insgesamt mit den Fortschritten des Projekts "Grüner werden" nach vier Jahren des 10-Jahres-Plans? Regierung St. Helena: Wir machen stetige Fortschritte bei der Verringerung unseres CO2-Fussabdrucks, aber eine Herausforderung bleibt die Koordinierung grüner Initiativen, die für St. Helena geeignet sind und mittel- und langfristig zu nachhaltigen CO2-Reduktionsgewinnen für die Insel führen werden, sowie die Beschaffung angemessener Finanzmittel für deren Umsetzung. Wichtige Entwicklungen der letzten Jahre: - St. Helena-Klimaschutzstrategie, die 2019 angenommen wurde, um die Massnahmen zur Reaktion auf Klimaschwankungen und -veränderungen auf der Insel in eine Gesamtstrategie einzubinden. - St. Helena-Aktionsplan zum Klimawandel), der 2020 angenommen wurde und Anpassungs- und Abschwächungsmassnahmen für die nächsten fünf Jahre enthält - Unterzeichnung eines Vertrags mit Connect / PASH über erneuerbare Energien im Jahr 2020 - St. Helena Government Garage Pilotprojekt zur Umstellung der regierungseigenen Fahrzeuge auf eine elektrische Flotte. - Umstellung der Abfallentsorgungsdienste auf emissionsfreie, lithiumbetriebene Kleinmaschinen im Jahr 2020. - SHG-Netto-Null-Emissions-Scoping-Studie wird in Kürze vorgelegt. SHG wird gemeinsam mit der jetzt im Oktober gewählten Regierung prüfen, welche Massnahmen auf der Grundlage dieser Studie ergriffen werden können. - Das von der Uk Conflict Stability & Security (CSSF) finanzierte Abfallbewirtschaftsprojekt zur Entwicklung einer kommerziellen Recyclinganlage auf der Horse Point Deponie wurde 2021 begonnen, um die gegenwärtigen und zukünftigen Abfallmengen zu reduzieren, die nicht mehr deponiert sondern recylet werden müssen. - Das CSSF-finanzierte Projekt "Umwelt, natürliche Ressourcen und Planung" zur Installation einer Fotovoltaik-Anlage und von Sonnentunneln im Hauptquartier der Umweltbehörde wird 2021 in Angriff genommen. - Die Abfallbewirtschaftsdienste beschaffen 2021 einen emissionsfreien Elektrostaubsauger, um den Übergang der SHG zu emissionsfreien Kleinmaschinen zu unterstützen, wo dies sinnvoll ist. 2021 wurde eine Wasserressourcenstrategie verabschiedet. Inselwelten: Das sind ganz viele Studien, die der Regierung nun bei der Entscheidungsfindung helfen. Ist der Energieverbrauch auf der Insel in den letzten Jahren übrigens gestiegen oder gesunken? Regierung St. Helena: Der Verbrauch ist in den letzten drei Jahren konstant geblieben. Inselwelten: Eines der Hauptziele im Kapitel "Grüner werden" ist es, sich zu 100 % mit erneuerbaren Energien selbst zu versorgen. Das ist ein grosses und anspruchsvolles Ziel. Wie hoch ist der derzeitige Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieverbrauch? Regierung St. Helena: Der derzeitige Anteil der aus erneuerbaren Quellen erzeugten Energie liegt bei etwa 25 %. Inselwelten: Das ist schon beachtlich. Bis zu welchem Jahr hoffen Sie, das Ziel zu erreichen, die Insel zu 100 % mit erneuerbarer Energie zu versorgen? Regierung St. Helena: Ursprüngliches Zieldatum war 2022. Dieses Ziel wird derzeit aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie überprüft. Inselwelten: Alles, was auf St. Helena importiert werden muss, ist für den Verbraucher teuer. Ich nehme an, das gilt auch für die Einfuhr von Brennstoffen für den Betrieb der Generatoren zur Stromerzeugung. In den meisten Ländern ist erneuerbare Energie immer noch teurer als Energie, die mit Benzin oder Kohle erzeugt wird. Werden die Kosten für Energie - aufgrund der besonderen geografischen Lage von St. Helena - mit der Umstellung auf erneuerbare Energien steigen, stabil bleiben oder sogar im Vergleich zu den heutigen Preisen sinken? Regierung St. Helena: Die Strompreise auf der Insel haben sich seit 2016 nicht verändert, obwohl sie als sehr hoch empfunden werden. Mit der Umstellung auf erneuerbare Energien sollen die Einheitspreise stabilisiert und die Kosten für den Verbraucher hoffentlich im Laufe der Zeit gesenkt werden können. Inselwelten: Ich gehe davon aus, dass die beiden wichtigsten Quellen für die Erzeugung erneuerbarer Energie auf St. Helena Solarenergie und Windkraftanlagen sind. Wie wird Ihrer Meinung nach der Mix aus Solarenergie und Windturbinen letztendlich aussehen? Regierung St. Helena: Ja, der Vertrag über erneuerbare Energien ist so konzipiert, dass Wind- und Solarenergie genutzt werden. Es ist vorgesehen, dass die Solarenergie etwa 1,5 MW erzeugt und der restliche Bedarf durch Windenergie gedeckt wird. Inselwelten: Zurück zu den Windkraftanlagen: In Europa wehren sich Umweltgruppen und Anwohner von geplanten Windkraftanlagen oft jahrelang gegen die Projekte, weil sie sich über Lärm, den Tod von Vögeln durch die rotierenden Flügel und die Verschandelung der Landschaft Sorgen machen. Gibt es einen starken Widerstand gegen die Errichtung von Windturbinen oder werden sie im Allgemeinen von den Betroffenen gut angenommen? Regierung St. Helena: Die Öffentlichkeit wurde zu den Plänen für den Bau von drei grösseren Windturbinen auf der Insel konsultiert. Die Baugenehmigung wurde erteilt. Die Öffentlichkeit wartet sehnsüchtig darauf, dass diese Anlagen gebaut werden, weil sie für sie Vorteile bringen werden. Inselwelten: Themenwechsel zu den Finanzen. Vor zwei Jahren haben Sie den Zolltarif für Kraftfahrzeuge dahingehend geändert, dass sich der Zoll nicht mehr nach dem Wert des Fahrzeugs richtet, sondern nach dem CO2-Ausstoss des importierten Fahrzeugs. Wie hat sich das auf die Einfuhr von Neu- und Gebrauchtwagen ausgewirkt? Regierung St. Helena: Es gab einige Verhaltensänderungen: Es wurden mehr Fahrzeuge der mittleren Klasse eingeführt, für die ein niedrigerer Zollsatz galt. Man hatte gehofft, dass mehr Fahrzeuge mit niedrigeren Emissionen und sogar mehr Elektrofahrzeuge importiert würden, aber es ist bekannt, dass wir mehr unterstützende Infrastrukturen wie Ladestationen benötigen, um letztere zu unterstützen. Im Rahmen der neuen Regelung wurden mehr neuere und sparsamere Fahrzeuge eingeführt, für die nach der vorherigen Regelung ein höherer Zollsatz gegolten hätte. Diese Entwicklung wird weiter beobachtet. Inselwelten: Ein Aspekt ist die Energieerzeugung, ein anderer die Energieeinsparung. Eine 30 Jahre alte Waschmaschine braucht mehr Energie für einen Waschgang als eine moderne (das Thema graue Energie, die für den Bau/Entsorgung benötigt wird, blenden wir hier mal aus). Wie können Sie den Menschen auf St. Helena helfen, den Strombedarf zu senken? Regierung St. Helena: Die Entwicklungsstrategie unterstützt die Einführung und Platzierung von Fotovoltaik- und Solarprojekten für Unternehmen und Haushalte auf der ganzen Insel. Es gibt ermässigte Einfuhrzölle für Haushaltsgeräte der Klasse A+. Inselwelten: Es geht immer ums Geld, auch bei der letzten Frage. Es ist kein Geheimnis, dass die Regierung von St. Helena ein sehr knappes Budget hat und stark von Subventionen der britischen Regierung abhängig ist. Wie werden all die notwendigen Schritte finanziert, um eine Insel zu werden, die zu 100 % erneuerbare Energie nutzt? Regierung St. Helena: Der Stromabnahmevertrag, den Connect Saint Helena (Anmerkung Inselwelten: der Strom- und Wasserversorger der Insel) mit dem Investor Sustainable Energy One unterzeichnet hat, bedeutet, dass weder für SHG noch für Connect Saint Helena Kapitalkosten anfallen. Diese werden vom Investor finanziert werden. Inselwelten: Wir danken Ihnen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen zu beantworten, und wünschen Ihnen alles Gute bei der Verwirklichung Ihres ehrgeizigen Ziels. |
AuthorUrs Steiner Archives
Oktober 2023
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